Mittendrin statt nur dabei.

Über unseren Blog „Mitten im Geschehen“ bleibt ihr täglich auf dem Laufenden über alles, was im Angels Home for Children in Sri Lanka passiert. Sowohl Frank und Julia, unsere Projektleiter, als auch die Freiwilligen teilen hier ihre Erfahrungen – von witzigen Alltagsmomenten bis hin zu besonderen Einblicken in das Leben in Sri Lanka. Mit unseren Beiträgen möchten wir euch regelmäßig zeigen, was wir dank eurer Unterstützung mit dem Dry Lands Project e.V. für die Kinder vor Ort bewegen. Viel Spaß beim Lesen und Mitfiebern!

Ein Canyon im Herzen der Kinder!

Malithi packt ihre Geschenke aus und Theyaga freut sich über das Gespräch mit Milithis Papa Malithi packt ihre Geschenke aus und Theyaga freut sich über das Gespräch mit Milithis Papa
Ich habe heute das freudige und aufregende Treiben im Angels Home am Besuchersonntag beobachten. Ich durfte andere Seiten der Mädchen kennenlernen, sowie ihre Familienmitglieder. 

Beginnen wir doch wieder mit einem Perspektivwechsel.

Stellt euch vor, ihr seht euren engsten Familienkreis nur einmal im Monat von 9 Uhr bis 16 Uhr.  Wie fühlst du dich als Mama, wenn du deine fünf, 10 oder 17 jährige Tochter nur einen Tag im Monat sehen würdest? Wie fühlst du dich als 10 jährige Schwester, deine 15 jährige Schwester nur einmal im Monat zu sehen? Wie fühlst du dich als Kind, wenn ein Teil deiner engsten Familie nur einmal im Monat dich besuchen kommt, da du nicht in deinem Familienheim lebst?  Welche Erwartungen habt ihr in diesen verschiedenen Rollen? Mit welchen Gefühlen verlasst ihr diesen Besuch?

Es ist der letzte Sonntag im Monat, was bedeutet, dass die Mädchen Besuch von ihren Eltern oder Verwandten empfangen. Ich habe versucht, meine Perspektive zu wechseln und nachzuempfinden, was die Kinder und die Erwachsenen heute gefühlt haben. Freude, Trauer, Wehmut, Angst, Zuversicht und Hoffnung waren einige der Gefühle.

Schon die letzten Tage haben mir die Mädchen freudig erzählt, wer sie besuchen kommt. Eine kurze Erläuterung dazu, wie die Samstage und Sonntage sonst aussehen: Samstag und Sonntag sind die Tage, an denen die Familien der Mädchen die Möglichkeit haben, ihre Kinder anzurufen. Ihr könnt euch das so vorstellen: Das einzige Telefon im Haus klingelt. Die Kinder, die es hören, rufen aufgeregt mit Freude und Hoffnung zugleich nach einer Auntie („Matron"). Meistens wird das Telefon dann geschnappt und zur Auntie gerannt, um ja nicht den Anruf zu verpassen. Es wird gespannt gewartet, für wen der Anruf ist. Die Auntie sagt den Namen, falls die Kinder nicht schon mitgehört haben, und das Kind wird rufend durch den Garten gesucht. Dieses rennt dann Richtung Telefon, um unten im Eingangsbereich auf der Couch mit Mama oder Papa (meistens) zu telefonieren. Dieses ganze Prozedere passiert jedes Wochenende etwa 30 Mal. Nicht alle Kinder erhalten einen Anruf.

Kann diese Euphorie am letzten Sonntag im Monat gesteigert werden?

Hiruni genießt die Zeit mit ihren Eltern

29.09.2024 – Besuchersonntag im Angels Home

Das erste, was mir auffällt: Die Mädchen sind heute nicht nur wahnsinnig aufgeregt und voller Vorfreude, sie haben sich auch besonders hübsch gemacht. "The Girls are beautiful today, right?" – ein Zitat von einem der Mädchen. Sie tragen ihre liebsten Kleider oder Outfits, das Gesicht ist gepudert, und die Haare sind mit Mühe frisiert. Ab 9 Uhr wird auf die Hausklingel gewartet. Sobald diese ertönt, versammeln sich die Kinder vorne am Haus, um zu sehen, wer von ihnen als Erstes besucht wird. Die Mädchen halten das eine Stunde aus, bis sie sich Beschäftigungen suchen, um das Warten zu erleichtern.

Jeder Besucher hat eine oder mehrere Tüten in der Hand. Nach der Ankunft müssen sich die Besucher zu den beiden Aunties setzen. Hier wird genau notiert, was an Geschenken mitgebracht wurde. Ebenso muss eine Unterschrift geleistet werden, die bestätigt, dass sie heute zu Besuch sind. Alles wird in der jeweiligen Akte des Kindes abgeheftet. Danach suchen sich die Mädchen mit Mama, Papa, Bruder, Schwester, Oma oder Opa einen ruhigen Platz, um die Mitbringsel auszupacken und die gemeinsame Zeit zu genießen. Meist handelt es sich bei den Geschenken um Kekse, Limonade, Spielzeug, Kosmetikartikel, Zahnbürsten und/oder Schreibmaterialien. Die Süßigkeiten werden genossen und mit ihren „Schwestern" bzw. Freundinnen geteilt. Die Mädchen kennen natürlich die Familienmitglieder ihrer „Schwestern", sodass die Freude groß ist, wenn auch die Eltern einer Freundin zu Besuch sind. Da die Besuchszeit bis 16 Uhr andauert, müssen sich einige Angels gedulden, bis ihre Liebsten eintreffen. Einige teilen mir mit, dass heute niemand sie besuchen kommt. Es gibt auch Mädchen, die nie Besuch bekommen, während andere mich sehnsüchtig nach ihrer Mama fragen. Bei jedem Klingelruf keimt die Hoffnung auf Erlösung.

Die Mädchen versammeln sich um Hirunis Schwester(Baby)

Kinderheim FamilientagWenn die Liebsten dann hier sind, kann ich glückliches Lachen hören und ein breites Grinsen auf den Gesichtern der Mädchen sehen. Diese ganz bestimmte Glückseligkeit und Zufriedenheit, die man selbst empfindet, wenn man seine Liebsten um sich hat. Die Luft ist schwer mit den verschiedensten Gefühlen. Stolz, Freude und Glück bei denen, die besucht werden. Angst, Trauer und Zweifel bei denen, die keinen Besuch bekommen. Bei einigen Kindern und Müttern fließen Tränen, wenn es Zeit ist, sich zu verabschieden. Andere verabschieden sich mit dem größten Lächeln im Gesicht, da ihr Herz mit Freude, Hoffnung und Zuversicht aufgeladen ist.

Ich stelle mir vor, dass in den Herzen der Angels ein Canyon entstanden ist. Verschiedene Erfahrungen und Umstände in ihrer Vergangenheit haben in ihren weichen Herzen tiefe Spuren hinterlassen. Bei einigen tiefer, bei anderen breiter oder wiederum ganz neu. An diesem Sonntag im Monat wird dieser Canyon entweder mit Süßem oder Salzigem gefüllt. Die Familienmitglieder gehen, die Kinder und ihr Canyon im Herzen bleiben.

Ein aufregender Tag für uns alle! Ich blicke mit einem freudigen und weinenden Auge auf den Besuchersonntag zurück. Ein weiterer unvergesslicher Tag und ein neuer Blogeintrag.

Bis dahin!

Nina


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