Mittendrin statt nur dabei.

Über unseren Blog „Mitten im Geschehen“ bleibt ihr täglich auf dem Laufenden über alles, was im Angels Home for Children in Sri Lanka passiert. Sowohl Frank und Julia, unsere Projektleiter, als auch die Freiwilligen teilen hier ihre Erfahrungen – von witzigen Alltagsmomenten bis hin zu besonderen Einblicken in das Leben in Sri Lanka. Mit unseren Beiträgen möchten wir euch regelmäßig zeigen, was wir dank eurer Unterstützung mit dem Dry Lands Project e.V. für die Kinder vor Ort bewegen. Viel Spaß beim Lesen und Mitfiebern!

Wie gefällt mir Sri Lanka?

EIn Blick auf eine Lagoone fasziniert mich jedes mal aufs Neue. EIn Blick auf eine Lagoone fasziniert mich jedes mal aufs Neue.
In den letzten Tagen wurde ich oft gefragt, wie mir Sri Lanka gefällt – von Besuchern, Einheimischen, anderen Touristen oder auch von Freunden am Telefon.

Ja, wie gefällt mir Sri Lanka? Für mich ist das eine sehr schwierige Frage. Insofern, dass ich sie nicht einfach mit Ja, Nein, gut, schlecht, gefällt mir oder gefällt mir nicht beantworten kann.

Ich habe bereits in einem meiner letzten Blogeinträge erwähnt, dass Sri Lanka für mich zwei Seiten hat: die touristische und die einheimische. Jemand, der die einheimische Seite vielleicht nicht kennengelernt hat und Sri Lanka „nur" als Tourist erlebt hat, könnte einige meiner Erfahrungen und Ansichten über dieses Land schwer nachvollziehen.

Ich durfte in meinen fünf Monaten hier bis jetzt in die singalesische Kultur eintauchen. Gespräche mit Einheimischen haben mir wertvolle Einblicke in die gesellschaftlichen Normen und Wertvorstellungen gegeben. Ich habe mich vor meinem Freiwilligendienst mit der Kultur und den gesellschaftlichen Normen zum Teil auseinandergesetzt, insbesondere im Hinblick auf das weibliche Geschlecht. Hier durfte ich jedoch noch viel mehr lernen.

Vor fünf Jahren waren Tattoos bei Frauen nicht gerne gesehen, ebenso wie ein freier Schulterbereich. Auch wurde streng darauf geachtet, dass die Beine bis zu den Knien bedeckt sind. Seit etwa fünf Jahren sieht man vor allem in der Großstadt Colombo vermehrt Frauen mit Tattoos oder Spaghetti-Träger-Tops. Eine vom Personal erklärte mir das so, dass sich die Kultur in dieser Hinsicht verändert. Viele, die beispielsweise aus dem Ausland zurückkehren, nachdem sie dort gearbeitet haben, bringen „frischen Wind" mit. Sie meinte auch, dass in ländlicheren Regionen, wie zum Beispiel Marawila, eher noch die alten Normen und Werte vertreten werden. Wenn die Mädchen bei mir den BH-Träger sehen, werde ich direkt darauf hingewiesen oder er wird von ihnen in meinem T-Shirt wieder versteckt. Auch enganliegende Hosen bei Frauen sind eher ein No-Go. Dabei ist meine Sportleggings mein bequemstes Kleidungsstück. Mit einem langen T-Shirt geht es irgendwie. Ich habe einmal das Wort sexy benutzt und habe direkt von den Mädchen ein „Iiiahhh" (eklig) zurück bekommen. Generell ist Sex ein Tabu Thema. Eine ausreichende Aufklärung bekommen die Kinder zu dem ganzen Thema nicht.

Außerdem wird großen Wert auf die äußere Erscheinung gelegt. Es wird nur mit gemachten Haaren das Haus verlassen. Und vor einem Arztbesuch muss sich gewaschen werden und wird sich schick gemacht. Ich hab den Mädchen letztens gesagt, dass es schon vorgekommen ist, dass ich mit Jogginghose, Schlafshirt und ohne meine Haare am Morgen gemacht zu haben, das Haus verlassen habe, um Brötchen zu holen. Auch hier wurde mit „Iiiiahhh" reagiert. „Dass sei verrückt." Sowas geht in Sri Lanka nicht.

Spreche ich mit dem älteren, verheirateten Personal, werde ich mit Dingen konfrontiert, bei denen ich ungläubig mit dem Kopf schüttle. So leben Frauen in meinem Alter noch bei ihren Eltern, da sie noch nicht verheiratet sind. Ich muss dazu sagen, dass dies nur die Informationen sind, die ich von dem Personal und den Einheimischen bekomme, mit denen ich im Gespräch bin.

In Gesprächen merke ich, dass die Leute Angst haben, etwas gegen ihr Land oder gegen ihre Ehe zu sagen. Ich würde gerne wissen, was sie wirklich über diese Dinge denken. Es ist offensichtlich, dass es für sie ungewohnt ist, dass jemand so viele Fragen stellt. Sie freuen sich meist darüber, dass ich so viel Interesse an ihrer Kultur und dem Land zeige. Sie sind gespannt und interessiert, meine Meinung zu hören und vielleicht auch einige Dinge zu hinterfragen. Ich habe den Eindruck, dass sie solche Gespräche nicht oft führen, vielleicht auch nicht führen können – oder wenn doch, dann mit Leuten, die in ihrer „Bubble" leben und ähnliche Ansichten vertreten.

Ich merke jedoch, dass sich hier in den letzten Jahren viel verändert hat und auch momentan ein Wandel stattfindet. Schließlich besitzen einige Einheimische ein Smartphone und haben Zugang zu weitreichenden Medien. Auch der Tourismus nimmt zu. Im Süden, wie in einem meiner Blogeinträge beschrieben, ist vieles modernisiert und ein anderes Lebensgefühl ist zu spüren.

Die Herzlichkeit der Einheimischen steckt einen an!

Um auf die Frage zurückzukommen: Wie gefällt mir Sri Lanka? :)

Die Natur und das Klima gefallen mir, ebenso wie die Herzlichkeit der Menschen – vor allem der Frauen. Wenn es zum Abend hin geht und es dunkel wird, fühle ich mich alleine auf den Straßen jedoch nicht sicher.

Könnte ich mir vorstellen, hier mehrere Monate oder Jahre zu leben, zusätzlich zu meiner Zeit hier? Nein. Ich brauche meine Freiheit. Ich vermisse es, zu machen, anzuziehen und zu sagen, was mir gerade in den Kopf kommt.

Ich respektiere die Kultur und das Leben der Einheimischen hier auf der Insel, aber ich würde mich nicht wohl fühlen, vollständig „ich selbst" zu sein und meine 100% auszuleben. Für mich hat es etwas mit Respekt gegenüber der Kultur, dem Land und den Leuten hier zu tun, mich anzupassen und in der Zeit meine Bedürfnisse teilweise hintenanzustellen.

Ich habe mich gerne an das Leben vor Ort angepasst, und es war schön, eine andere Perspektive einzunehmen und eine ganz andere Kultur kennenzulernen als die deutsche. Doch das Anpassen ist für mich auf Dauer sehr energieaufwendig und macht mich nicht glücklich.

Urlaube auf der Insel kann ich mir dennoch vorstellen. Die Insel ist super facettenreich und die Herzlichkeit sowie Warmherzigkeit der Einheimischen sind einfach wunderbar.


Es tut gut, für eine gewisse Zeit sehr einfach und minimalistisch zu leben. Ich lerne, Dinge mehr zu schätzen, und werde mir über eigene Privilegien bewusster. Mir ist klar geworden, ohne welche Sachen ich schwer leben kann. Essen spielt hier eine große Rolle ;)


Bis dahin! 

Nina

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